Der Groschenroman kann stolz auf eine recht lange Tradition zurück blicken und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Manchmal verächtlich als Schundliteratur bezeichnet, wartet er jedoch mit einem dem Genre innewohnenden Charme auf, der nach wie vor seine Leser begeistert. Woche für Woche, gar mehrmals wöchentlich, stürzen sich seine Fans auf die neusten Erscheinungen und können es kaum erwarten, ihre Lektüre zu beginnen.
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Der klassische Groschenroman ist ein Heftchen von bescheidenem Umfang, das sich bequem bei einer kurzen Bahnfahrt oder in einer längeren Mittagspause lesen lässt. Eine bunte Illustration von einem halbnackten Helden und einer in seinen Armen bebenden vollbusigen Schönen ziert oft das Umschlagbild, darunter verlockt eine reißerische Schlagzeile dazu, begierig mit dem Lesen anzufangen.
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Es gibt dabei zwei Typen von Groschenromanen: die Serie und die Reihe. Bei der Serie erlebt ein klassischer Held ein Abenteuer nach dem anderen, und wöchentlich fiebert der Fan dem nächsten entgegen. Berühmte Beispiele, die sogar den Sprung auf die Leinwand geschafft haben, sind der Science-Fiction-Held Perry Rhodan und der FBI-Agent Jerry Cotton.
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Der Typus Reihe ist eher thematisch sortiert und bietet Bereiche wie den Liebesroman, den Arztroman, den Wildwestroman oder den Fürstenroman. Hier erleben wechselnde Protagonisten ihre Prüfungen und Abenteuer, wobei das Happyend natürlich immer garantiert ist.
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Der Groschenroman arbeitet mit absoluten Stereotypen – und das ist es wahrscheinlich, was den Reiz ausmacht. Der Gute ist immer nur gut, der Held hat keine Schwächen, die leidende Schöne ist absolut liebreizend und makellos. In dieser Welt ist Schwarz noch Schwarz, und das Weiß strahlt nur so, es gibt keine Grautöne. Kein deprimierender Realismus schleicht sich ein, keine Political Correctness verdirbt einem den Spaß.
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Wie in Hollywood geht es im Groschenroman immer um große Gefühle, die in voller Intensität ausgelebt werden. Da stört es kaum, dass die Heldin vielleicht keine Geistesriesin ist; wenn sie schluchzend mit wogendem Busen und Haaren, die wie Goldgespinst in der Sonne leuchten, dem verloren geglaubten Geliebten nachtrauert, trauert der Leser mit ihr.
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Das Geheimnis des Groschenromans ist es wohl, dass er das Kind in uns anspricht. Kinder lieben ebendiese Geschichten mit leicht erkennbaren Stereotypen, ordentlichem Schwarz-Weiß-Denken und großen Gefühlen, bei denen sie mit fiebern können. Und ab und zu ist ein Ausflug in die vergangene Zeit der Kindheit einfach sehr erholsam und unterhaltsam – den neuen Roman des intellektuellen Bestsellerautors, bei dem das Lesen harte Arbeit bedeutet, können wir ja dann am Wochenende lesen. Für die Bahnfahrt ist der Groschenroman vielleicht die bessere Wahl.