Ein derzeitiges Theater-Highlight in Berlin ist, ohne Frage, die Inszenierung „Julia und Romeo“ im Hexenkessel-Hoftheater (www.hexenkessel-hoftheater.de). Denn die Aufführung ist vor allem eines: eine überaus originelle und sehr unterhaltsame Neuinterpretation der klassischen Vorlage von Shakespeare.
Da man in dem Open-Air-Amphitheater in einem aus verschiedenen Sitzreihen gestaffelten halbrunden Kreis sitzt, unterliegt man anfangs auch dem Glauben hier klassisches Theater geboten zu bekommen. Wenn man jedoch auf die drei bizarr kleinen und verhext wirkenden Bühnen schaut, die mittels einer symmetrischen Holzkonstruktion über drei Etagen angeordnet sind, dann weiß man: In diesem Hexenkessel wird sehr innovatives Theater gemacht.
Schon zu Beginn der Aufführung offenbart das allseitige Gelächter innerhalb des Publikums, dass bei der Shakespeare’schen Tragödie „Romeo und Julia“ weit mehr verändert wurde als nur den Namen der weiblichen Protagonistin vor den des männlichen zu stellen. Denn mittels überaus witzigen Improvisationen werden die Zuschauer sofort in die Aufführung mit einbezogen (wie z.B.: Romeo will nicht weiter seinen Monolog aufsagen und hört damit frustriert auf, da er zum mehrfachen Mal durch zu spät gekommene Zuschauer gestört wird. Daher versucht Tybalt, der Vetter Julias, den Monolog zu Ende zu bringen, wobei er aber vergisst, dass ja dadurch die Personenperspektive nicht mehr stimmt). Was zudem von Anfang an sehr komisch wirkt, sind die teilweise von ihrem Aussehen (Mercutio, ein Freund Romeos, hat etwa eine irre Gothic-Frisur) und ihren Kostümen (Julias Amme trägt z.B. ein kitschiges Dirndl) her sehr flippigen Schauspieler.
Auch wenn vieles von der originalen Geschichte extrem verändert wurde, so wird trotzdem von Beginn der Inszenierung an versucht, mittels der Verwendung der werktreuen Verssprache, die Kerngeschichte zu erzählen. Bis zur Pause der Aufführung geschieht dies aufgrund des eher positiven Verlaufs bei Shakespeares „Romeo und Julia“ hauptsächlich komisch bis saukomisch. Kurz vor der Pause hat dann aber die Aufführung den Höhepunkt und gleichzeitigen Endpunkt des Komödienteiles erreicht, da das Publikum zum Gehen aufgefordert wird. Schließlich steht ja der Vermählung Romeos und Julias nach der Zustimmung von Julias Vater auch nichts mehr im Wege. Und daher ist laut der Schauspieler die Komödie auch zu Ende! Wenn man jedoch jetzt weiter auf seinen Plätzen sitzen bleibt, so die Schauspieler weiter, dann wird die Geschichte fortan einen überaus tragischen Verlauf nehmen. Da die Zuschauer natürlich nicht gehen, sehen sie fortan nach der Pause eine weitestgehend sehr dramatische Geschichte, in der es wenig zu lachen gibt. Denn es sterben und sterben und sterben innerhalb „Julia und Romeo“ um einiges mehr an Personen als in „Romeo und Julia“.
Wenn die gut zwei Stunden (inkl. einer zehnminütigen Pause) von „Julia und Romeo“ im Hexenkessel-Hoftheater vorbei sind, dann hat man zugleich eine Komödie und ein Tragödie gesehen, die anfangs rotzfrech und später dramatisch ist. Die ganze Zeit über ist die Inszenierung aber vor allem, nicht nur aufgrund der grandiosen schauspielerischen Leistungen, eine hochklassige Neuinterpretation des bekanntesten Shakespeare-Klassikers.